Eine Seifenreise durch Natur und Tradition

Bei uns in Luxemburg ist der 15. August ein Feiertag. Maria Himmelfahrt um genauer zu sein. Und zu diesem Tag gibt es einen historischen und religiösen Brauch: das Binden des Kräuterbuschen, oder wie wir auf Luxemburgisch sagen „de Wësch“. Seit ich ein kleines Kind bin, gehe ich jedes Jahr mit ein paar weiteren Frauen und Kindern die Kräuter auf umliegenden Feldern und Wiesen sammeln. Dann werden die Kräuter zu Bündeln oder „Buschen“ zusammengebunden und an Maria Himmelfahrt in der Kirche gesegnet. Die Buschen werden verteilt und man bewahrt ihn bis zum nächsten Jahr auf. So hieß es früher, dass er dem Haus und Stall Schutz brachte. Auch heute noch hängt meine Familie den „Wësch“ auf. Um dieses Jahr etwas Besonderes daraus zu machen, dachte ich mir warum machst verarbeitest du die Kräuter nicht in einer Seife? Als dann in unserer Seifengruppe der Aufruf zu Teilnehmern für die Seifenreise kam, schien dies ein guter Anlass euch alle auch an meiner Idee und dem dazugehörigen Sammeln der Kräuter teilhaben zu lassen. Ich hoffe ihr habt Spaß dabei mich zu begleiten :)


Die Kräuter

Jeder Buschen wird regional etwas anders zusammengestellt. Manche haben nur eine handvoll verschiedene Kräuter, andere bis zu 99 Stück. Bei uns kommen um die 40 Kräuter, Getreide und sonstige Pflanzen in den Buschen. So etwa auch eine Zwiebel und eine Möhre. Da Maria Himmelfahrt sozusagen einem europäischen Erntedankfest nahe kommt, ist der Kräuterbuschen eine Art Variante des Füllhorns und ein Zeichen der Dankbarkeit für eine reiche Ernte. Ich habe mich entschieden, die Getreide, Zwiebel und Möhre wegzulassen und anstelle ein paar andere Kräuter hinzugefügt, die wir im gewöhnlichen "Wësch" auslassen.


Die Kräuter, die ich in der Seife verwendet habe sind Folgende:

Ringelblume, Königskerze, Beinwell, Lavendel, wilder Sauerampfer, Johanniskraut, Odermennig, Schachtelhalm, Schafgarbe, große Klette, Beifuß, Nachtkerze, roter und weißer Klee, wilder Majoran (Dost), Giersch, Brennnessel, Frauenmantel, Speiklavendel, Goldrute, wilde Möhre, Immortelle (Currykraut), kleinblütiges Weidenröschen, römische Kamille, Estragon, Dill, Borretsch, Spitz- und Breitwegerich, Huflattich, Rosmarin, Thymian, Bohnenkraut, Liebstöckel, Salbei, Petersilie, Majoran, Melisse, Rainfarn, Pfefferminze, Grüne Minze (Spearmint), und Walnussblätter.

Ich habe aus den Kräutern einen starken Tee gekocht (mit destilliertem Wasser) und diesen als Laugenflüssigkeit verwendet. Der Tee bekam eine wunderschöne dunkelrote Farbe, die auch jetzt noch in der Seife durchscheint.

Die Wanderung

Ich bin an zwei verschiedenen Tagen losgegangen. Der erste Tag galt nur den Kräutern für meine Seife. Ich habe also nach Exemplaren jeder Pflanze gesucht, die sauber standen und schön und kräftig wuchsen. Vieles davon stand im Garten meiner Eltern aber einige Kräuter wie zum Beispiel den Reinfarn oder Beifuß findet man eher wild. Ich hatte Glück mit dem Wetter. Die Woche von Maria Himmelfahrt war sehr sonnig und heiß, die Kräuter waren also schön trocken und voller Kraft. Auch nahm ich mein Handy mit und habe Teile der Landschaft gefilmt. Das Video hierzu und zum Herstellen und Schneiden der Seife findet ihr auf Youtube. (Das Video ist auf Englisch, für alle internationalen Interessenten.) Die Wiesen brummten, so voll war es mit Grillen und Heuschrecken. Bei jedem Schritt im hohen Graß sprangen Dutzende von Insekten hoch. Die Wiesen waren selbst bei fast 30 Grad noch taunass, was für eine abwechslungsreiche Erfrischung sorgte. Ich hatte sogar das Glück, zwei 10cm große Heuschrecken zu sehen. Hatte ich doch die letzten Jahre keine solchen Prachtexemplare zu Gesicht bekommen, freute ich mich jetzt umso mehr die Kolosse meiner Kindheit wiederzusehen. Diese Seifenreise und das Filmen der Landschaft leiteten meine Aufmerksamkeit auf Details, die ich sonst womöglich übersehen hätte. Ich sah die Felder und Wiesen auf denen ich groß geworden bin in neuem Licht und verspührte ein Gefühl der Dankbarkeit, dies so nah und lebendig erleben zu dürfen. Ich bin eh sehr naturverbunden und dieses Auseinandersetzen auf neue Art und Weise hat diese Verbundenheit sehr verstärkt.

Am zweiten Sammeltag dann half ich mit die Kräuter für die tatsächlichen Buschen zu sammeln. Wir zogen zu 14 los und sammelten den ganzen Vormittag auf den Feldern ums Dorf herum. Am Ende sollten 70 Buschen darauß werden. Es ist immer wieder toll diese Tradition am Leben zu erhalten, die nur noch selten zelebriert wird. Für mich liegt in dieser christlichen Tradition noch etwas viel Wichtigeres: das alte Wissen um Heilpflanzen wird immer noch weitergegeben. Wie so oft hat sich die Kirche heidnische Bräuche angeeignet, was zu einem Weiterleben dieser alten Wissenskultur beigetragen hat. Über gut oder schlecht, Hexenverbrennung und co will ich hier nicht reden. Wenn wir im 21. Jahrhundert noch jedes Jahr Kräuter sammeln, dann kann es so schlecht nicht gelaufen sein. 

Auch wenn man in der Literatur keinen eindeutigen Hinweis auf einen Zusammenhang findet, so kann man doch Parallelen zwischen dem gälischen Lughnasadh Fest finden. Dieses wird am 1. August zelebriert und gilt als das Fest der Opferung der ersten Frucht. Auch das fruhchristliche Lammas Fest, das ebenfalls am 1. August gefeiert wird dient dem Dank zum Beginn der Ernte, ganz ähnlich wie wir es an Maria Himmelfahrt auch tun. Das geänderte Datum liegt halt auf einem christlichen Feiertag anstatt am Halbwegspunkt zwischen Sommersonnenwende und der Herbst Tag und Nacht Gleiche. Auch wenn es also vielleicht nur Zufall ist, so gleichen sich diese Feiertage sehr.

 


Die Seife

Nachdem der Tee also gebraut und abgekühlt war habe ich Fette und Lauge fertiggestellt und zusammengerührt. Bei fast 30°C draußen, erwies sich dies als schwerer als geplant. Das verwendete Rezept ist erprobt und normalerweise brav, aber dem Wetter ist manchmal kein Kraut gewachsen, und auch über 40 Kräuter in diesem Fall nicht ;). Ich wollte eigentlich mit roter und gelber Tonerde färben für einen kleinen dezenten Swirl, doch meine Töpfchen waren so fest zugeschraubt, dass ich sie nicht aufbekam und in der Zwischenzeit dickte der Leim so vor sich hin. Ich hab ihn dann in die Form geplatscht solange ich noch nicht spachteln musste. Er war flüssig genug um sich mit Klopfen auf die Tischplatte fein flach auszubreiten. Dann habe ich die Oberfläche mit einem Löffel texturiert und auf jedes Stück ein getrocknetes Salbeiblatt gelegt. Die Seife ist also ungefärbt und unbeduftet. Und was soll ich sagen, sie ist genau richtig so. In der Form hat sie kräftig gegelt und hat sich nach dem Schneiden schön dunkelbraun verfärbt. Durch das Gelen hat sie diese wunderschöne leichte Transparenz erhalten, die ich so liebe. Die Sommersonne scheint im Inneren zu leben und ihre Wärme so abzugeben. Ich habe nach dem Schnitt auch gleich ein kleines Endstückchen angewaschen. Sie schäumt jetzt schon so wunderbar cremig und sanft. Ich freue mich auf das Ende der Reifezeit, wenn ich sie benutzen kann. Auch werde ich einige Stücke bis nächstes Jahr behalten um zu sehen wie sie sich entwickelt. Und dann geht es wohl in die nächste Runde hehe. Für mich wird diese Seife eine neue Tradition innerhalb der Alten. So kann ich meine eigene Liebe in diese Jahrhunderte alte Tradition einfließen lassen und das Feuer des Wissens auf ein Neues entfachen.

Ob die Seife durch die Kräuter eine physische Wirkung hat ist mir ziemlich egal. In diesem Falle gilt für mich nur die spirituelle und kulturelle Ebene. Für mich wird die Seife immer ein erfreulicher Anblick sein, der meine Erinnerungen an warme Sommertage, an die strahlende Kraft der Natur, an Momente der Dankbarkeit und des Feierns in sich hält und den ich so auch an geliebte Menschen weitergeben kann. Pure Freude ist am Ende des Tages genau das, was von all diesen Augenblicken des Lebens übrig bleiben sollte. Und somit danke ich jedem, der diesen Post gelesen hat und somit hoffentlich auch ein kleines bisschen dieser Freude verspüren konnte.

Diese Seifenreise war ein tolles Erlebnis. Ich bin froh, mir die Zeit dazu genommen zu haben und eine Seife zu haben, die mir als Andenken dafür dient. Vielleicht sammelt ihr ja auch mal ein paar Kräuter auf den umliegenden Feldern. Seit euch nur immer sicher, dass ihr wisst, was ihr sammelt um giftige und somit gefährliche Verwechslungen auszuschließen.

Bis bald,

Inès

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